Dekalog der Gelassenheit oder was man von einem Papst lernen kann

Die interessantesten Dinge sind oft dort, wo man sie nicht vermuten würde.

Auf einer Surftour (bitte nicht zu verwechseln mit Sauftour :-)) bin ich auf den sogenannten Dekalog der Gelassenheit von Papst Johannes XXIII gestossen. Ich wollte schon weiterblättern, bin dann aber doch hängengeblieben. Weil es gar nicht so uninteressant ist.

Der Dekalog ist eine Sammlung von 10 Leitsätzen zum Thema Gelassenheit. Dafür, daß diese Sätze von einem Papst stammen,  haben sie erstaunlich wenig mit Gott zu tun. Lediglich in einem wird direkter Bezug auf Ihn genommen.

Zentrales Element aller Sätze ist die Formulierung „Nur für heute“. Gemeint ist, daß man sich primär um das Hier und Jetzt kümmern sollte, und nicht zuviel nach hinten und nach vorne schauen sollte.

Damit deckt sich der Ansatz durchaus auch mit der aktuellen Beratungsliteratur. Mir fallen dazu Sätze ein wie:
„Gestern ist schon vorbei. Das Morgen ist bestenfalls ein Gerücht. Heute leben wir.“
„Wenn die Sorgen von gestern und die Sorgen von morgen mit den Sorgen von heute getragen werden müssen, scheitert der Stärkste.“
„Machen Sie hinten und vorne die Schotten dicht und kümmern Sie sich um den Bereich, den Sie beeinflussen können: das Heute.“

Papst Johannes XXIII muß eine interessante Persönlichkeit gewesen sein. Von ihm stammt ja auch der Klassiker „Etwa die Hälfte!“ (auf die Frage, wie viele Menschen im Vatikan arbeiten).

„Akzeptiert nichts, was ich sage, als wahr…

..einfach, weil ich es gesagt habe, sondern prüft, wie ihr Gold prüfen würdet, ob es echt ist oder nicht. Wenn ihr nach Prüfung meint, es ist wahr, dann setzt es in der Praxis um. Aber tut dies nicht einfach aus Respekt mir gegenüber.“

Ich lese gerade ein Buch über den Buddhismus, einfach so, aus Interesse, weil ich kaum etwas darüber weiss. Dieser Satz von Buddha steht ganz am Anfang. Er ist nicht nur lang, sondern auch bemerkenswert.

Was ich so in den ersten Seiten mitnehme, ist, daß beim Buddhismus nicht Gott (was auch immer man darunter versteht) im Zentrum steht und daß man angehalten wird, die empfangenen Lehren skeptisch zu betrachten. Weder passive Akzeptanz oder automatische Ablehnung, sondern Verwendung des eigenen Urteilsvermögens.

Dieser Appell an den Geist der Skepsis ist schon bemerkenswert und anders, als ich es von der katholischen Kirche gewohnt bin. Eine faszinierende Grundhaltung, die man auch in der Wissenschaft findet.

Spricht es mich an?

Einerseits ja! Es wird ein hohes Maß an Freiheit zugestanden, aber man wird auch in Selbstverantwortung genommen. Dinge zu hinterfragen, nicht als selbstverständlich hinzunehmen…das ist schon Ausdruck eines modernen Geistes.

Andererseits…ich glaube schon, daß es „Etwas“ gibt…nicht den alten Mann mit  Rauschebart, aber doch…ich kann es halt nicht mit Worten ausdrücken.

Dennoch: ich denke, daß die respektvolle Beschäftigung mit anderen Religionen sehr wichtig und nutzbringend sein kann. Man stößt auf so manche Frage, die man sich bisher vielleicht nie gestellt hat, denkt über Dinge nach, die sich sonst nie ergeben hätten. Und was lässt sich besseres über ein Buch sagen?

Bin schon gespannt, was sich noch alles auftun wird…

Empfehlung TV: ORF Kreuz und quer vom 4.10.2011 zum Thema Gehorsam in der kath. Kirche

Heute eine Empfehlung, wenn Ihr an den aktuellen Entwicklungen der katholischen Kirche in Österreich interessiert seid.

Es gibt im österreichischen TV die wöchentliche Sendung „kreuz & quer“, die sich mit religiösen Themen beschäftigt. In der gestrigen Ausgabe (4.10.2011)ging es um das Thema „Gehorsam in der kath. Kirche“ , motiviert durch die Pfarrer-Initiative ( „Aufruf zum Ungehorsam“ ).

Zentrale Forderungen dieser Bewegung sind:

  • Eucharistie für Geschiedene/Wiederverheiratete
  • Predigten auch für Laien
  • Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt

Details finden sich auf der Homepage dieser Initiative.

In der TV Dokumentation wurden verschiedene kirchliche Würdenträger zu diesem Thema interviewt, mit teilweise für mich überraschenden Antworten. Nicht immer sind die Ältesten die Konservativsten!

Die Sendung ist über die TVthek des ORF noch abrufbar – siehe Link.  Sehenswert!

 

Leid

Warum lässt Gott so etwas zu?

Diese Frage ist schon oft gestellt worden. Oft voller Verzweiflung und Angst.  Naturkatasprophen, Krankheit, Unglück, Leid, Tod….wieso gibt es so etwas? Wie kann Gott so etwas zulassen?

Ich weiß nicht, ob es eine Antwort auf diese Frage gibt. Viel Klügere als ich haben sich schon daran versucht.

Heute in der Messe ging es unter anderem um diese Frage. In einer sehr persönlichen Predigt hat unser Diakon vom Leid erzählt. Er meinte, Gott hat nicht versprochen, daß unser Leben frei von Leid und Kummer sein würde. Auch Jesus musste Leid erfahren, auch ihm blieb es nicht erspart. Aber der Glaube kann eine Möglichkeit sein , mit dem Leid umzugehen und wieder heraus zu finden. Glaube kann tragen.

Dazu muß man wissen, daß er diese Worte nicht als Unbeteiligter vom hohen Roß aus gesprochen hat. Als Vater einer schwerkranken Tochter, die schon am schmalen Grad zwischen Leben und Tod gewandelt ist, waren es sehr persönliche Worte. Und man merkte, daß es ehrlich gemeint war, daß er aus Überzeugung gesprochen hat.

Bringt uns das der Antwort auf die eingangs gestellte Frage näher? Ich weiß es nicht.  Aber es hat mich jedenfalls zum Nachdenken gebracht.

Bist Du gläubig?

Diese Frage hat mir vor kurzem ein lieber Blogger-Kollege, RunningWilli, gestellt. Eine simple Frage, die aber gar nicht so leicht zu beantworten ist….

Die Kurzantwort wäre: „Ja, aber…“.

Ich glaube daran, daß es „Etwas“ gibt. Vielleicht nicht unbedingt einen älteren Herrn mit Rauschebart, als der Gott manchmal bildlich dargestellt wird. Aber doch Etwas oder Jemanden, der einem Kraft geben kann, der zuhört, vor dem man Alles, das Gute und das Schlechte, hinlegen kann.

Ich glaube auch daran, daß es nach dem Tod weitergeht, wie auch immer. Und daß wir uns eines Tages, in welcher Form auch immer, für unsere Taten verantworten werden müssen.  Nicht unbedingt in der Hölle, so wie sie künstlerisch dargestellt wird. Mein alter Religionslehrer aus der AHS Oberstufe meinte seinerzeit, er stelle sich die Hölle so vor, daß Alle von Allen Alles wissen.

Generell war es in der Schule so, daß unsere Religionslehrer eher fortschrittlich waren. Unvergessen zum Beispiel Pfarrer Franz aus der AHS Unterstufe. 50 Jahre alt, aber immer mit seiner alten Vespa unterwegs, die er immer extra aufgedreht hat, wenn er an uns vorbeigefahren ist. Wortgewaltig, aber stets gutmütig, und ein wichtiger Fürsprecher in den Lehrerkonferenzen 🙂

Ich bin jahrelang nur zur traditionellen Weihnachtsmette in die Kirche gegangen. Durch eine Reihe von persönlichen Erlebnissen bin ich der Kirche wieder nähergekommen. Heute habe ich habe das Glück, in einer modernen jungen Wiener Pfarre zu leben, in der  sehr engagiert gearbeitet wird. In der stark auf die Einbindung der Gemeinde geachtet wird. In der es schön ist, die Messe zu besuchen. In der Dinge auch mit Humor genommen werden. In der aber auch unangenehme Dinge nicht ausgespart, sondern beim Namen genannt werden. In der Gott nicht als der „strenge, strafende Vater“ dargestellt wird, sondern als jemand, zu dem man immer kommen kann, ganz egal, was auch passiert ist. Wo es in der Predigt weniger um die Auslegung von Bibelstellen, sondern um konkrete Hilfen für den Alltag geht. In der ei den Sonntagsmessen die Menschen bis vor die Türe stehen, und es sind überraschend viele Jugendliche darunter. In der auch manchmal Rockkonzerte in der Kirche stattfinden. In der Toleranz gegenüber anderen Glaubensrichtungen gelebt wird.

In der katholischen Kirche steht meiner Meinung nach nicht alles zum Besten. Die – großteils berechtigten – negativen Schlagzeilen der letzten Monate verdecken leider, daß in vielen anderen Bereichen, bis hinunter in die einzelnen Pfarren, sehr wichtige und auch gute Arbeit geleistet wird.

Einer der zentralen Sätze des Glaubens ist für mich: „Fürchte Dich nicht!“

Fürchte Dich nicht. Du stehst nicht alleine. Wer glaubt, ist nie alleine.

So, jetzt ist es doch ein längerer Beitrag geworden. Und während des Schreibens sind mir dazu noch so viele Dinge eingefallen….

Also, Willi, um Deine Frage zu beantworten: “ Ja, ich bin gläubig – auch wenn ich nicht alles glaube, was in der Bibel steht und nicht alles richtig finde,  was uns von der Kirche vorgegeben wird.“

Abendgebet einer Nonne – erstaunlich fortschrittlich

Beim Stöbern in einem Buch über den 2004 verstorbenen Kardinal König bin ich über das „Abendgebet einer Nonne“ aus dem 16. Jhdt. gestolpert – eines der Lieblingsgebete des Kardinales.
Ok, ein Gebet ist in der Regel nichts Spektakuläres – aber für die Zeit, in der es entstanden ist, ist es schon etwas Besonderes.

Ich musste beim Lesen mehrmals schmunzeln, die Autorin muss wirklich eine besondere Frau gewesen sein. Dem Vernehmen nach wird das Gebet Therese von Avila zugeordnet. Viele kleine Schwächen, die ich auch bei mir feststelle, werden mit einem Augenzwinkern aufs Korn genommen. Wirklich lesenswert!

Nachstehend der Text, übernommen von dieser Seite (kardinalkoenig.at).

O Herr,
Du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und älter und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen. Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer regeln zu wollen.
Mach mich nachdenklich, aber nicht schwermütig, hilfsbereit, aber nicht bestimmend. Angesichts meines großen Reichtums an Lebensweisheit scheint es bedauerlich, nicht alles nützen zu können, aber du weißt, Herr, dass ich schließlich doch ein paar Freunde behalten möchte.

Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und hilf mir, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu – und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr. Ich wage es nicht, um so viel Gnade zu bitten, dass ich die Erzählungen anderer über ihre Schmerzen mit Freuden anhöre, aber hilf mir, diese mit Geduld zu ertragen.
Ich wage es nicht, ein besseres Gedächtnis zu erbitten, dafür aber zunehmende Bescheidenheit und abnehmende Selbstsicherheit, wenn meine Erinnerung mit der anderer in Widerspruch zu stehen scheint. Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.

Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte kein Heiliger sein – mit manchen von ihnen lebt es sich so schwer; aber ein Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, Gutes an unerwarteten Orten zu sehen und ungeahnte Talente in anderen zu entdecken – und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
Amen.

Nr 622

Unter der obigen Nummer befindet sich im „Gotteslob“ ein Lied, über dessen Text man durchaus auch mal ausserhalb einer Messe nachdenken kann. Ein kleiner Auszug (an die restlichen Sätze kann ich mich nicht mehr erinnern)

„Hilf Herr meiner Tage, dass ich nicht zur Plage, meiner Nächsten bin.
Hilf Herr meines Lebens, dass ich nicht vergebens, auf der Erde bin“

Über den ersten Satz musste ich schmunzeln. Wer weiss, wie oft ich schon für meine Mitmenschen eine Plage war?  🙂 Ob ich mal meine Maus danach fragen sollte?

Der 2. Satz drückt die Hoffnung aus, die wir wahrscheinlich alle in uns tragen. Spuren zu hinterlassen, an die man sich – hoffentlich positiv – erinnern wird. Etwas zu bewegen.

Manchmal findet man solche Worte, wo man sie nicht erwarten würde.

 

 

Eierwürfe zu Halloween

Es kommt nicht oft vor, dass in der Predigt zur Sonntagsmesse das Wort „Dummkopf“ fällt.

Zu Halloween wurde unsere Kirche mit Eiern beworfen, deren Spuren auch heute noch auf den grossen Glasfenstern zu sehen war. Unser Pfarrer nahm es insofern mit Humor, als er bei der Bitte um den  Schlußsegen ausdrücklich „auch die Dummköpfe, denen wir die Eierspuren zu verdanken haben“ miteinbezogen hat. „Auch auf Ihnen möge Gottes Segen ruhen.“

Ein bisschen hat er mich heute an Don Camillo erinnert 🙂

Wie sagt man? Danke!

Danke, für diesen schönen Morgen,
Danke, für diesen schönen Tag….

Zum Thema „Einfach mal Danke sagen“ gab es letzte Woche in unserer Kirche einen interessanten Beitrag. In der Predigt erzählte unser Pfarrer die Geschichte, als Jesus 10 Aussätzige geheilt hat. Aber nur einer kam zu ihm und bedankte sich.

Warum ich das erzähle?

Weil ich mich manchmal dabei ertappe, zu denken „Na, der hätte sich jetzt aber auch bedanken können“, wenn ich jemandem etwas vermeintlich Gutes getan habe. Wenn Jesus es auf eine „Dankbarkeitsquote“ von 10% gebracht hat – wer bin ich, das ich mehr erwarten kann?

Ein kleines Steinchen im Mosaik der Gelassenheit…sich über solche Dinge weniger aufzuregen, und sich umso mehr zu freuen, wenn jemand doch mal Danke sagt 🙂
Und: den eigenen Selbstwert nicht zu sehr vom Wohlwollen der Anderen abhängig machen.