Beim Ordnen meines Archives (böse Zungen würden sagen, beim Stöbern in diversen Zeitschriftenstapeln) bin ich heute auf einen schon älteren Artikel über Japan gestossen. Er wurde kurz nach der atomaren Katastrophe vom 11.3.2011 verfasst und beschäftigt sich damit,wie die japanische Gesellschaft – von aussen betrachtet – auf die Katastrophe regierte. Autorin war eine deutsche Soziologin, die selbst 10 Jahre in Japan gelebt hat.
Die – nach außen – sehr gefaßt wirkende Reaktion – soll ihren Ursprung in zwei typischen Verhaltensweisen der japanischen Gesellschaft haben: Tatemae und Honne (siehe auch hier einen Wikipedia Artikel dazu).
Unter Tatemae versteht man das von der Gesellschaft erwartete Verhalten, die äußere Form, die sprichwörtliche Höflichkeit. Die Honne entspricht den tatsächlichen Gefühlen, die oft verborgen gehalten werden, weil es den Erwartungen der Gesellschaft oder den momentanen Umständen nicht entspricht.
Ok, so steht es zumindest in Wikipedia. Ich weiß leider sehr wenig über die japanische Kultur und Gesellschaft. Und wenn man solche Dinge nur liest, ist es schwierig, sie einzuordnen oder ihre Bedeutung zu begreifen. Ist die Trennung zwischen den eigentlichen Gefühlen und dem Schein nach Außen wirklich so essentiell für die japanische Gesellschaft? Welche Vor-, welche Nachteile ergeben sich für den Einzelnen? Oder ist es heute schon ganz anders?
Ich bedaure es sehr, keinen japanischen Bekannten oder Freund zu haben, mit dem ich darüber diskutieren könnte. Wie viel könnten wir voneinander lernen.
Nachtrag: Beim Googeln bin ich noch auf einige interessante Seiten zu diesem Thema gestossen:
Das Japanbuch: ein im Aufbau begriffener Ratgeber für Japan von einem Namensvetter
Japanese Cultural Learning Blog
Nun bin ich nicht gerade der Japan-Experte, aber aus Erfahrungen mit Kollegen kann ich sagen, dass diese Dinge wohl immer noch von Bedeutung sind. Eine Ausprägung ist das Senioritätsprinzip, aber auch die enge Bindung an eine Firma gehören dazu. Zumindest Letzteres scheint allerdings auch in Japan langsam abzunehmen; sicher auch eine Folge der Globalisierung, die natürlich auch auf japanische Firmen Druck ausübt.
Das ist ein sehr interessantes Thema, zu dem ich auch gerne mehr wissen – nein, mehr verstehen würde.
Liebe Grüße,
Stefan
Hallo Stefan,
weil Du von Bindung an den Arbeitgeber sprichst: ich kann mich an eine Radiosendung im österr. Rundfunk erinnern, ist aber schon viele Jahre her. Damals berichtete ein Österreicher, der längere Zeit in Japan beruflich tätig war. Eine Passage, an die ich mich erinnern kann, war: Niemand geht vor dem Chef nach Hause. Entweder gibt es ohnehin genug zu tun, oder man nimmt sich Arbeit von zu Hause mit.
Das Zweite war, daß in der Schule freiwillige Nachhilfestunden der Regelfall und nicht die Ausnahme sein sollen, weil man sonst nicht mitkommt.
Wie gesagt, daß ist sicher schon mehr als 15 Jahre her, und heute wahrscheinlich schon wieder ganz anders. Außerdem muss man natürlich immer vorsichtig sein, die Erfahrungen eines Einzelnen zu generalisieren.
Liebe Grüsse,
Wolfgang